Verbrannte Bücher – Verdammnis 1933

Vor 88 Jahren verbrannten die Nazis in ganz Deutschland Bücher und Schriften – Zehntausende Werke gingen in Flammen auf. Viele der damals verfemten Autor*innen verloren ihre Existenzgrundlage, wurden ins Exil getrieben, ermordet.

Die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und in den folgenden Wochen waren der Höhepunkt der sogenannten „Aktion wider den undeutschen Geist“, mit der kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die systematische Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller*innen begann.

Es war eine von der Deutschen Studentenschaft geplante und inszenierte Aktion, bei der Student*innen, Professor*innen und Mitglieder nationalsozialistischer Parteiorgane die Werke geächteter Autoren*innen an öffentlichen Plätzen ins Feuer warfen. Die Auswahl der Schriften basierte auf „schwarzen Listen“, die im März 1933 im Auftrag des Propagandaministeriums erstellt wurden und die die Grundlage für die Plünderungen von Büchereien und Buchhandlungen bildeten.

Man versammelte sich am Berliner Opernplatz (dem heutigen Bebelplatz), am Wilhelmsplatz in Kiel, am Greifswalder Marktplatz, an der Bismarcksäule in Hannover und in weiteren Universitätsstädten. In Hamburg fand die Verbrennung wegen starken Regens erst am 15. Mai am Kaiser-Friedrich-Ufer statt.

Gedicht des Monats: Freiheit

von Erich Fried (1921 – 1988)

Zu sagen
hier herrscht Freiheit
ist immer ein Irrtum
oder eine Lüge:
Freiheit
herrscht nicht

 








Livestream-Veranstaltung: „Rettung der Welt vor der Wirklichkeit“
100 Jahre Erich Fried – Filmschau und Gala am 8. Mai 2021 von 16 bis 23 Uhr
präsentiert vom Kulturmagazin Melodie & Rhythmus und der Tageszeitung junge Welt
https://www.jungewelt.de/artikel/399977.fried100-rettung-der-welt-vor-der-wirklichkeit.html

Gedicht des Monats: Wir pflücken Blumen

von Hannah Szenes (1921-1944)

Wir pflückten Blumen in den Feldern und auf den Bergen,
wir atmeten den frischen Frühlingswind.
Die Sonne durchdrang uns mit ihren warmen Strahlen
in unserer Heimat, in unserem geliebten Land.

Wir gehen zu unseren Brüdern ins Exil,
zu den Leiden des Winters, zum Frost in der Nacht.
Unsere Herzen werden vom Frühling erzählen,
unsere Lippen singen das Lied des Lichts.

(1944)



Hannah Szenes war eine ungarische Widerstandskämpferin. 1921 in Budapest geboren, emigrierte sie 1939 nach Palästina. 1943 trat Hannah der britischen Armee bei und gehörte einer Gruppe von Freiwilligen an, die sich zum Einsatz in Europa meldeten, um hinter den feindlichen Linien mit dem Fallschirm abzuspringen. Der Zweck dieses Unternehmens war, die Alliierten in ihren Bemühungen zu unterstützen und Kontakte zu Partisanen und Widerstandskämpfern herzustellen, um den bedrohten jüdischen Gemeinden zu helfen. Szenes wurde in Ägypten ausgebildet und da sie ihre Heimatstadt Budapest erreichen sollte, sprang sie im März 1944 über Jugoslawien ab und verbrachte drei Monate mit den Tito-Partisanen.
Am 7. Juni 1944, als die Deportationen der ungarischen Juden ihren Höhepunkt erreichten, überschritt Hannah die ungarische Grenze. Sie wurde von der ungarischen Polizei gefangengenommen. Obwohl sie in den nächsten Monaten immer wieder gefoltert wurde, lehnte sie es ab, Informationen zu verraten. Während ihres Prozesses im Oktober verteidigte sie standhaft ihre Tätigkeit und weigerte sich, um Gnade zu bitten. Als sie am 7. November erschossen wurde, lehnte sie eine Augenbinde ab und sah den Vollstreckern ins Gesicht.

Addi Matschke

Addi Matschke war ein führendes Mitglied der großen norddeutschen Widerstandsgruppe um Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen, die 1942 von der Gestapo zerschlagen wurde. Der unten stehende Text stammt aus Interviews, die in den 70ger Jahren mit ihm geführt wurden. Auch Katharina Jacob gehörte dieser Widerstandsgruppe an (siehe unter „Bücher“). Wir recherchieren weiter, werden den Text vervollständigen und mit Quellen veröffentlichen.

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Gedicht des Monats: Das ist’s

von Hilde Meisel

Das ist‘s, was dir im Leben Stärke und Zuversicht und Kühnheit gibt:
Dass du‘s alleine nicht bist, der Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit liebt;

dass Tausende von Menschen kämpfen für das Ziel, das auch du erstrebst,
dass Tausende von Menschen starben für das, wofür du kämpfend lebst.

Das ist es, was an schweren Tagen erneut dir Kraft und Mut verleiht:
Dass andere gelitten haben in unvergleichlich härtrer Zeit;

dass keine Macht sie hindern konnte und keine Opfer und Gefahr,
den schweren Kampf ums Recht zu führen, der manchmal dann erfolgreich war.


Hilde Meisel, auch Hilde Monte genannt, war bei der „Machtergreifung“ des Nationalsozialismus gerade 19 Jahre alt und kam aus der Jugendbewegung (aus dem Bund des im KZ ermordeten Hans Litten). Ihre Familie – sie war Jüdin – emigrierte, und auch Hilde Meisel ging ins Ausland, kam von dort aber immer wieder illegal nach Deutschland zurück, um für eine sozialistische Widerstandsgruppe Kurierdienste zwischen In- und Ausland zu leisten. Nebenher veröffentlichte sie schon früh Beiträge politischer und ökonomischer Art; 1940 erschien beim Victor Gollancz Verlag in London eine Schrift von ihr über die Möglichkeiten einer europäischen Einigung. Im Frühjahr 1945 ging sie von der Schweiz aus ein letztes Mal illegal nach Deutschland, um dort zu helfen. Auf dem Rückweg wurde sie an der Grenze von einer SS-Patrouille erschossen.

Quelle: https://www.volksbund.de/fileadmin/redaktion/Mediathek/LV_Bayern/Widerstand_gegen_den_Nationalsozialismus_Lehrerhandreichung.pdf

Zur Diskussion um einen neuen Gedenkort für die Opfer des Kriegs und der Besatzung Polens

von Harry von Bargen

Ein neuer Gedenkort soll entstehen. Ein Ort für die Opfer des Kriegs und der Besatzung Polens. So wurde es im Frühjahr bei einem Treffen von Außenminister Heiko Maas mit seinem polnischen Amtskollegen vereinbart. Vorangegangen sind dem verschiedene Initiativen. Vor allem vom Deutschen Polen-Institut und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die schließlich  einen gemeinsamen Vorschlag für einen Gedenkort eingebracht haben, der Formen des Gedenkens mit einem Dokumentations- und Bildungszentrum verbinden soll.

Die Diskussion um einen solchen Gedenkort verläuft nicht ohne Kontroversen. Es gibt Zustimmung: „Ein Denkmal, das den Überfall auf Polen als Beginn des Zweiten Weltkriegs (zumindest auf dem europäischen Kriegsschauplatz) zum Ausgangspunkt hat, dann aber durch mehrsprachige Widmungen in den Sprachen der besetzten Länder auch eigene Annäherungen an ein Denkmal ermöglicht, wäre ein gemeinsames Erinnerungszeichen mit vielfältigen Zugängen“ (so Detlev Garbe, Historiker und ehem. Leiter der Gedenkstätte Neuengamme in polendenkmaldebatte.blog). Zugleich werden aber auch Befürchtungen laut, eine Begrenzung auf ein alleiniges Denkmal für die polnischen Opfer könnte eine ‚Renationalisierung‘ des Gedenkens bestärken. Eine solche Renationalisierung des Gedenkens birgt immer auch die Gefahr einer einseitig  nationalistisch geprägten Geschichtsschreibung die z.B. , wie in Polen, nicht den Angriffskrieg des Hitler-Faschismus als Auslöser des Zweiten Weltkriegs verstehen will, sondern den ‚Hitler-Stalin-Pakt‘, und somit der Sowjetunion eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zuschreibt.  Diese Art der Geschichtsrevision ist das offensichtliche Interesse der gegenwärtigen polnischen Regierung, die dieses Narrativ auch bereits in einer Resolution des EU-Parlaments durchsetzen konnte (19. September 2019).

Wie es mit der Diskussion um diesen Gedenkort weitergeht, wird im parlamentarischen Bereich nun zunächst Aufgabe des Bundestages und seiner Ausschüsse und dann bilateral zu klären sein.

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Gedicht des Monats: Der Kamin

von Ruth Klüger (30.10.1931 – 06.10.2020)

Täglich hinter den Baracken
Seh ich Rauch und Feuer stehn,
Jude, beuge deinen Nacken,
Keiner hier kann dem entgehn.
Siehst du in dem Rauche nicht
Ein verzerrtes Angesicht?
Ruft es nicht voll Spott und Hohn:
Fünf Millionen berg ich schon!
Auschwitz liegt in meiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.

Täglich hinterm Stacheldraht
Steigt die Sonne purpurn auf.
Doch ihr Licht wirkt öd und fad,
Bricht die andre Flamme auf.
Denn das warme Lebenslicht
Gilt in Auschwitz längst schon nicht.
Blick zur roten Flamme hin,
Einzig wahr ist der Kamin.
Auschwitz liegt in seiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.

Mancher lebte einst voll Grauen
Vor der drohenden Gefahr.
Heut‘ kann er gelassen schauen,
Bietet ruh’g sein Leben dar.
Jeder ist zermürbt von Leiden,
Keine Schönheit, keine Freuden,
Leben, Sonne, sie sind hin,
Und es lodert der Kamin.
Auschwitz liegt in seiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.

Hört ihr Ächzen nicht und Stöhnen,
Wie von einem, der verschied?
Und dazwischen bittres Höhnen,
Des Kamines schaurig Lied:
Keiner ist mir noch entronnen,
Keinen, keine werd ich schonen.
Und die mich gebaut als Grab
Schling ich selbst zuletzt hinab.
Auschwitz liegt in meiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.

(1944)



Ruth Klüger

Über meinen Vater Artur Burmester

Von Traute Sander geb. Burmester

Wenn ich an meinen Vater Artur Burmester, 1915 bis 1985, denke, dann fällt mir als erstes ein, dass er – in meiner Kinderzeit – fröhlich war und am Sonntag – wenn er nicht arbeiten musste – morgens schon gesungen hat „Wir fürchten nicht…“ (1), und wir überlegten alle zusammen, welchen Ausflug wir machen wollten. Auch hatte er Spaß daran, mit Menschen zu diskutieren. Samstags ging er – und nahm mich mit – seine Zeitung „Hamburger Volkszeitung“ (Zeitung der KPD) zu verkaufen. Das war so ca. 1950. In Hamburg wurden nach dem Krieg viele Menschen in sogenannten „Nissenhütten“ (runde Blechhütten, die oft auf Sportplätzen aufgebaut waren und mit vielen Personen belegt waren) untergebracht, es waren noch nicht genug Wohnungen wieder gebaut worden. Ins Nissenhüttenlager gingen wir also und versuchten, die Leute zum Kauf der Zeitung zu bewegen. Auch an Gedenkmärsche für die Opfer des Faschismus von Barmbek bis Friedhof Ohlsdorf kann ich mich erinnern – auch dazu nahm er mich mit. Das war damals für mich als Kind ein weiter Weg und von den Reden habe ich nicht viel mitbekommen. Nach dem Verbot der KPD 1956 wurde er, vorher Verlagsleiter, arbeitslos. Dann arbeitete er im Heinrich-Bauer-Verlag. Er wurde zunehmend stiller und versuchte, eine Rente wegen in der Nazizeit erlittenen Unrechts (Wiedergutmachung) durchzusetzen. Ich habe das zu meiner Kinder- bzw. Jugendzeit nicht verstanden, warum das wichtig für ihn war.

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Gedicht des Monats: Wollen Sorgen mich umschlingen

von Wolfgang Szepansky

Wollen Sorgen mich umschlingen,
will die Einsamkeit mich quälen,
weiß ich stets durch frohes Singen
Mut und Geist und Herz zu stählen.

Reiße wohl das Fenster auf,
jag die bösen Geister fort,
nehme alle Kraft zuhauf,
wünsch mich an den schönsten Ort.

Und mir ist es nun,
als könnten Mauern mich nicht halten.
Ich kann lassen, ich kann tun,
kann wie freie Menschen walten.

Neue Zukunftsmelodien
will ich mutig singen!
Und ich triumphiere kühn:
Ihr könnt mich nicht zwingen!


Wolfgang Szepansky (* 9. Oktober 1910 in Berlin-Wedding; † 23. August 2008 in Berlin-Schöneberg) war ein deutscher Antifaschist, kommunistischer Widerstandskämpfer, Autor und Maler.

Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in die Niederlande einfiel, wurde Wolfgang Szepansky in das KZ Sachsenhausen verbracht. Wegen des Zusammenlebens mit einer holländischen Jüdin wurde er aus Gründen der „Rassenschande“ zu zweijähriger Gefängnishaft verurteilt, die er im Strafgefängnis Tegel in Berlin verbüßte. Dort entstand das Gedicht. Danach wurde er wieder in das KZ Sachsenhausen zurückgebracht. Dort 1945 befreit.

Quelle: Autobiografie „Dennoch ging ich diesen Weg“.