Diskurs + Dissenz

In der Ukraine tobt der Krieg

Sind Verhandlungen möglich und sinnvoll?

In der Ukraine tobt der Krieg. Keine Seite ist bereit zu Verhandlungen. Wieso soll es dann sinnvoll sein, jetzt oder überhaupt Verhandlungen zu fordern?

Die Verhandlungsoption darf nicht untergehen. Wenn der Krieg nicht durch die Kapitulation einer Partei beendet werden wird (wonach es derzeit nicht aussieht), kann er nur durch ein zuvor ausgehandeltes Abkommen beendet werden. Wie wir sehen, eskaliert auch dieser Krieg – und mit ihm wächst die Zahl der Opfer und Zerstörungen. Und mit höheren Opferzahlen und weiteren eingesetzten Milliarden wächst der Erfolgsdruck beider Seiten. So wird eine Einigung immer schwieriger.

Putin hat ausgeschlossen, mit Selenskyj zu reden, und Selenskyj hat Verhandlungen mit Russland sogar per Gesetz verboten: Da sind doch Verhandlungen schwer vorstellbar?

Ja, es braucht wohl eine glaubwürdige Vermittlungsinstanz. Dann ist ein Ergebnis möglich. Selbst Parteien, die sich strikt weigerten miteinander zu reden, haben schon Friedensabkommen  geschlossen. Nach dem sog. Sechstagekrieg 1978 lud Carter Israels Menachim Begin und Ägyptens Anwar El Sadat zu Friedensgesprächen nach Camp David ein. Die Verfeindeten weigerten sich miteinander zu reden. Mit sogenannter Pendeldiplomatie wurde die Grundlage eines Friedensabkommens gelegt.

Aber die Forderungen beider Seiten sind doch völlig unversöhnlich, ein Verhandlungsspielraum ist kaum zu erkennen. Wäre unter solchen Umständen ein Verhandlungserfolg überhaupt möglich?

In der Tat: Solange jede Seite glaubt, den Krieg gewinnen zu können, gibt es wohl nur geringste Chancen auf einen Kompromiss. In der Dynamik eines Krieges schwächen ohne erkennbaren Grund gegebene Zugeständnisse die Kampfmoral der eigenen Seite. Was an Zugeständnissen möglich ist, müsste nicht zuletzt unter Einbeziehung der politischen und wirtschaftlichen Perspektiven zu gegebener Zeit verhandelt werden. Schließlich braucht jede Seite etwas, dass sie der eigenen Partei als Erfolg verkaufen kann. Immerhin wurden ja der Gefangenenaustausch und das Getreideexportabkommen erfolgreich verhandelt.

Gibt es historische Erfahrungen zur Deeskalation, die sich nutzen lassen?

Mit den modernen westlichen Waffen konnte die Ukraine das Blatt wenden und hat ukrainisches Gebiet zurückerobert. Russland setzt nun Drohnen ein. Die Ukraine wird Wege finden, zu antworten. Die Logik des Krieges drängt auf Eskalation. Immer wirksamere Waffen kommen zum Einsatz.

Die  Kubakrise 1962 konnte schließlich gelöst werden, weil sich Chruschtschow und Kennedy nicht gegenseitig in eine  Situation gebracht haben, in der es für das Gegenüber nur noch die Wahl zwischen Demütigung oder Atomwaffeneinsatz gab.  Ob Putin eine sicherlich demütigende Niederlage hinnähme, während er die Lager voller Atom- und Hyperschallwaffen hat, ist sicherlich fraglich.

Was können wir aus dem damaligen Vorgehen lernen?

Es muss Vertrauen zwischen beiden Seiten aufgebaut werden. In der Kubakrise gab es klare Absprachen zwischen Kennedy und Chruschtschow sowie das Vertrauen, dass die jeweils andere Seite sich daran hält. Die USA verpflichteten sich, ihre in der  Türkei stationierten Mittelstreckenraketen sechs Monate später abzubauen. Chruschtschow stimmte einer Durchsuchung sowjetischer Frachtschiffe auf dem Weg nach Kuba durch US-Militär zu.

Der Krieg in der Ukraine ist eskaliert. Moderne Atomwaffen würden im Vergleich zur Hiroshimabombe nur begrenzen Schaden anrichten. Das senkt die Einsatzschwelle deutlich. Diese Katastrophe ist nicht weit. Leid und Zerstörung müssen so schnell wie möglich beendet werden. Es braucht den Druck der Friedensbewegung!

WPS

Diskussion zu ‚Versöhnungstheater. Anmerkungen zur deutschen Erinnerungskultur. Essay von Max Czollek‘

Der Text von Max Czollek führte zu kritischen, nachdenklichen, zustimmenden und zornigen Reaktionen. Wir stellen diesen, zunächst internen „Briefwechsel“ nach Abstimmung mit den Autor*innen nun so ins Netz. Er ist ein Meinungsstreit über die Bewertung der deutschen Geschichte mit dem zugleich Strategien für eine demokratische Gesellschaft in den Blick geraten.

Der Meinungsstreit geht los …

Zunächst forderte der Czollek-Text Widerspruch heraus, der in drei Aspekten zusammengefasst ist:

Ich bin etwas unglücklich mit dem Text vor Max Czollek auf unserer Website. Drei Perspektiven auf den Text ermutigen mich für eine Neubewertung. 1. Die Niederlage der Linken. Daraus folgt für mich, Dogmatismus nicht unwidersprochen stehen zu lassen. 2. Unser Bemühen, in Schulen Aufklärungsarbeit zu leisten, zwingt uns dazu, nachvollziehbar zu argumentieren. 3. habe ich vom Berliner Mädchenchor gehört, der für sein Anne-Frank-Projekt geehrt wurde (https://stimmenueberleben.de/).

Zu 1.Schwarz-Weiß-Denken

Das offizielle deutsche Verständnis der Erinnerungskultur repräsentiert durch Steinmeier und Weizäcker (z.B. mit dem Wunsch nach Versöhnung) führe zum ­“Versöhnungstheater“. 

Ich habe die Worte Weizäckers damals als hilfreich und auch als überfällig empfunden, ähnliches gilt auch Steinmeiers Äußerungen. Sie als „Versöhnungstheater“ zu definieren, konstruiert eine überflüssige Abgrenzung zur „bürgerlichen“ Mitte hin und ist für die politische Praxis schädlich.

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