Kurze Biografie Agnes Gierck

Agnes Gierck (geb. Höhne), geboren am 28. Februar 1886 in Wechmar, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sie besuchte die Volksschule bis zur Selekta. Aus finanzieller Not konnte ihre Familie sie nicht auf die Höhere Schule schicken. Nach dem Umzug ihrer Familie nach Hamburg arbeitete sie als Hausangestellte, später als Plätterin.

1909 heiratete sie den Steinträger Karl Gierck, mit dem sie die gleiche politische Überzeugung verband. Sie lebten mit ihren drei Kindern, einer Tochter und zwei Söhnen, in Hamburg-Langenhorn, Wattkorn 8.

1929 trat das Ehepaar der KPD bei und schloss sich 1933 dem illegalen Widerstand an. Bereits vor dem Machtantritt Hitlers begann die KPD, sich auf die Illegalität vorzubereiten, z.B. wurden überall Fünfergruppen gebildet. In einer dieser Fünfergruppen in Langenhorn arbeitete Agnes Gierck mit. Sie war Hauptkassiererin für Parteibeiträge und sammelte Geld für die Rote Hilfe. Die Rote Hilfe unterstützte Familien, deren Angehörige wegen ihrer politischen Einstellung eigesperrt waren bzw. verfolgt wurden. Agnes beteiligte sich an der Verteilung illegaler Zeitungen und Flugblätter. Diese warnten vor dem Ziel der Nazis: einem kommenden Krieg und forderten die Menschen auf, sich zu wehren.

Fast alle Familienmitglieder reihten sich in die illegale Tätigkeit ein. Am 1. Oktober 1934 verhaftete die Gestapo fast die gesamte Familie. 

Im Mai 1935 begann vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht der „Prozess Nr. 37 in der Sache Lemke und Gen.“. Angeklagt waren 11 Langenhorner Genossen, neun Männer und zwei Frauen: Agnes Gierck und Lucie Suhling. Das Gericht verurteilte sie zu mehreren Jahren Zuchthaus: Agnes G. und Lucie S. jede zu 2 Jahren, die sie im Zuchthaus Lübeck-Lauerhof verbüßten.

Agnes´ Mann erhielt 1 ½ Jahre, ihr Sohn Herbert 1 ½ Jahre, ihr Schwiegersohn Willi Goes 1 ½ Jahre Zuchthaus. Die Widerstandstätigkeit dieser Gruppe wurde von den Nazis als „Vorbereitung zum Hochverrat“ und „Volksverhetzung“ hingestellt. Trotz strenger Auflagen der Nazis, die illegale Tätigkeit nicht wieder aufzunehmen und der tödlichen Gefahr, die im Falle einer erneuten Verhaftung drohte, setzten die meisten haftentlassenen Langenhorner ihre politischen Aktivitäten fort. 

Agnes Gierck war persönlich ganz besonders hart betroffen: Beide Söhne kamen aus dem furchtbaren Krieg nicht zurück. Sie erlebte das Ende des Krieges nicht mehr. Die schwere Nazizeit, die Jahre der Haft und Verfolgung, der Tod ihrer Söhne, hatten ihre Gesundheit untergraben. 

Sie starb am 12. November 1944 nach langer Krankheit mit 58 Jahren.

Auf Antrag der GAL – Grün-Alternative Liste – wurde 1985 in einem Neubaugebiet in Hamburg-Allermöhe ein Weg nach Lucie Suhling benannt – leider weit entfernt vom Hamburger Arbeiterstadtteil Langenhorn, wo sie und Agnes gelebt und in ihrem persönlichen Umfeld Widerstand gegen die Nazidiktatur geleistet hatten.

1997 wurde in Langenhorn der Peter-Mühlens-Weg in Agnes-Gierck-Weg umbenannt.

Mit der Umbenennung des Peter-Mühlens-Wegs in Agnes-Gierck-Weg sollte endlich der Mut einfacher Frauen – ob Arbeiterinnen oder Hausfrauen – gewürdigt werden, die nicht zögerten, das Nazi-Regime von dessen erster Stunde an zu bekämpfen und die dabei ihr Leben aufs Spiel setzten.

Die Benennung nach Agnes Gierck ist vor allem der Forschungsarbeit von René Senenko, Mitglied der Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. zu verdanken, der aufdeckte, dass Peter Mühlens mitverantwortlich war für Verbrechen an vielen Wehrlosen während der Nazizeit.

Als Ende 1945 der Peter-Mühlens-Weg nach einem vermeintlich unbelasteten Mediziner benannt wurde, war noch nicht bekannt, dass Prof. Peter Mühlens, Direktor des Hamburger Tropeninstituts bis zu seinem Tode 1943, nicht nur ein eifriger Nationalsozialist war, sondern er war auch verstrickt in die medizinischen Versuche seines Instituts an Insassen des KZ Neuengamme, an Juden des Warschauer Gettos, an sowjetischen Zwangsarbeitern und mitverantwortlich für Experimente an wehrlosen, zur Euthanasie bestimmten psychisch Kranken der Heilanstalt Langenhorn (heute AK Ochsenzoll) im Rahmen von Flecktyphus- und Malariaforschungen.

Am 30. März 2010 fand im Gemeindehaus St. Marien eine Veranstaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme statt zum Thema „Gefangene in Fuhlsbüttel: Agnes Gierck“. 

Es war eine Gesprächsrunde mit der Klasse 6 b des Gymnasiums Heidberg und ihrer Lehrerin Frau Dr. Hertel, die für ihre Recherchearbeit über Agnes Gierck mit einem Landespreis, einem 3. Bundespreis des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten und für ihren Einsatz darüber hinaus mit dem Bertini-Preis ausgezeichnet wurden.

In dem Gespräch beantworteten die beiden Enkelinnen von Agnes Gierck, Gertrud Kelb und Hilde Gutzeit sowie Ursula Suhling viele Fragen der SchülerInnen.

Hamburg, den 26. Februar 2018

U. S.