Erklärung: Gemeinnützigkeit muss bleiben!

Das Finanzamt Berlin hat der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen!

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Kinder des Widerstands,

mit Empörung und Wut haben wir vom Entzug der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der VVN-BdA e.V. durch das Finanzamt Berlin erfahren.

Wir „Kinder des Widerstands“ in Hamburg sind die Kinder und Enkel von Verfolgten des Naziregimes und von WiderstandskämpferInnen. Wir sind auch selbst Betroffene, weil manche von uns die traumatischen Folgen des Naziterrors, der Folter, der Todesangst, der systematischen Verfolgung und Vernichtung von vielen Millionen Menschen, in der eigenen Familie und manchmal auf furchtbare Weise erlebt haben. Wir sind betroffen, da wir auch selbst im täglichen Leben aufgrund unserer antifaschistischen Haltung Anfeindungen erleben.

Heute, wo das größte Menschheitsverbrechen, die deutsche Nazi-Tyrannei, im Bundestag zum Vogelschiss der Geschichte erklärt werden darf, wo neufaschistische Mörder zum individuellen Terror übergehen und als Einzeltäter verharmlost werden, wo Verschränkungen zwischen Geheimdiensten und der Neonaziszene offenkundig und durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse nachgewiesen wurden, heute schwingt sich ein bayrisches Gericht und darauf berufend ein Berliner Finanzamt zum Ordnungstrupp gegen Antifaschist*innen auf, wodurch der Kampf unserer Eltern und Großeltern, aber auch von uns Kindern und Enkeln diffamiert wird und die oft beschworene historische Verantwortung von uns Deutschen gegenüber den Völkern Europas zum leeren Geschwätz degradiert wird.

Der unten beschriebene Bescheid des Finanzamts des Landes Berlin vom 4. 11. 2019 gegen die VVN-BdA hat massive einschränkende Auswirkungen für die antifaschistische Arbeit bundesweit und richtet sich gegen alle Antifaschistinnen.

Er ist ein Angriff auf die Erinnerungsarbeit der zweiten und dritten Generation; ein Angriff gegen unser Bemühen, die Geschichte(n) unserer Vorfahren lebendig zu halten. Der Entzug der Gemeinnützigkeit ist ein Schlag ins Gesicht unserer Familien und Freundinnen und all jener, die ihr Leben dafür riskierten und einsetzten, unser Leben in einem vom Nazi-Terror befreiten Deutschland erst möglich zu machen. Ein verheerendes und gefährlich-falsches Signal in der heutigen Zeit.

Wir sind solidarisch mit der VVN-BdA, unterstützen die in einer ersten Stellungnahme der Bundesvorsitzenden aufgestellten Forderungen (siehe unten!), und verstehen das Vorgehen der Staatsorgane als einen Angriff gegen uns und alle Antifaschist*innen!

Die VVN-BdA muss gemeinnützig bleiben!

Was ist gemeinnützig, wenn nicht das aktive Eintreten für Erinnerung, Erforschung, Würdigung, Aufklärung über und Bekämpfung des deutschen Nazi-Faschismus!?

Mit solidarischem Gruß                      
Hamburg, 28. 11. 2019
Kinder des Widerstands (Hmb.)


Stellungnahme der VVN-BdA

Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben!

Schwerer Angriff auf die VVN-BdA

Am 4. November hat das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin der Bundesvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen. Damit verbunden sind vorerst Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe, die noch in diesem Jahr fällig werden. Weitere erhebliche Nachforderungen sind zu erwarten und auch zukünftig drohen wesentlich höhere steuerliche Belastungen. Damit ist die VVN-BdA in ihrer Existenz bedroht. Das Finanzamt Berlin handelt damit anders, als das Finanzamt Oberhausen-Süd, das der Landesvereinigung NRW die Gemeinnützigkeit am 22. Oktober gewährt hat. In beiden Fällen war derselbe Vorwurf erhoben worden. Er besteht darin, dass die Landesvereinigung Bayern der VVN-BdA im bayrischen Verfassungsschutzbericht wiederholt als linksextremistisch beeinflusst dargestellt wird. Während das Finanzamt Oberhausen-Süd der Widerrede der VVN-BdA im Anhörungsverfahren entsprach, beharrt das Berliner darauf, dass „der volle Beweis des Gegenteils, als Widerlegung der Vermutung als extremistische Organisation“ nicht erbracht worden sei. Das bedeutet, dass die Bewertung durch eine nachgeordnete bayrische Landesbehörde, die laut bayrischem Gerichtshof keine Tatsachenbehauptung darstellt, demnach über das Schicksal einer bundesweit arbeitenden zivilgesellschaftlichen Organisation entscheiden dürfen soll.

Von Überlebenden der Konzentrationslager und Gefängnisse 1947 gegründet, ist die VVN-BdA seitdem die größte, älteste, überparteiliche und überkonfessionelle Organisation von Antifaschistinnen und Antifaschisten Deutschlands. Sie vertritt die Interessen von Verfolgten und Widerstandskämpfern, sowie deren Nachkommen, tritt für Frieden und Völkerverständigung ein und hat gegen große gesellschaftliche Widerstände wesentlich dafür gesorgt, dass die Verbrechen des Nazi-Regimes nicht in Vergessenheit geraten sind, u.a. durch den Einsatz für die Errichtung von Gedenkstätten und Erinnerungsorten und vielfache Zeitzeugenarbeit. Sie informiert über aktuelle neofaschistische Umtriebe und organisiert den Widerstand in breiten Bündnissen.

Wir sind entsetzt und empört darüber, dass sich das Berliner Finanzamt die haltlosen Unterstellungen der bayrischen Behörde ungeprüft zu eigen macht. Damit behindert es genau das zivilgesellschaftliche Engagement, das von Regierung und Parteien angesichts schrecklicher rechtsterroristischer Verbrechen allenthalben eingefordert wird.

Wir fordern die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für unsere Organisation! Wir fordern praktische Unterstützung für alle zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die die Grundwerte des Grundgesetzes gegen rassistische, antisemitische, nationalistische und neofaschistische Angriffe verteidigen!

Cornelia Kerth, Dr. Axel Holz Bundesvorsitzende
Pressekontakt: Bundesgeschäftsführer Thomas Willms, Tel.: 0176-22638719
Berlin 22.11.19
https://vvn-bda.de/antifaschismus-muss-gemeinnuetzig-bleiben-schwerer-angriff-auf-die-vvn-bda/